Melissa Büttner

Melissa Büttner ist Doktorandin an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Dort erwarb sie bereits ihren Masterabschluss in Soziologie mit dem Schwerpunkt sozial-ökologische Transformation. Zuvor absolvierte sie an der Ludwig-Maximilians-Universität München zwei Bachelorabschlüsse in Geschichte sowie Soziologie mit dem Nebenfach Psychologie. Melissa Büttner war während ihres Studiums in verschiedenen Forschungsprojekten u.a. an der LMU München, dem California Institute of Technology sowie der Hochschule Merseburg tätig. Zuletzt erarbeitete sie mit Matthias Schmelzer in der Nachwuchsgruppe „flumen“ der FSU Jena ein Konzept der fossilen Prägung von Mentalitäten.

Ihre Forschungsschwerpunkte sind die sozial-ökologische Transformation von Konsummustern und Lebensweisen – insbesondere der Mobilität –, gesellschaftliche Transformationskonflikte, Energietransitionen sowie interdisziplinäre Mobilitätsforschung. Im Rahmen des Graduiertenkollegs verfolgt sie ein Promotionsvorhaben mit dem Arbeitstitel „Die neue Liebe zum (E-) Auto? Automobile Emotionen in Zeiten der Klimakrise“.

Zusammenfassung des Promotionsvorhabens

Der Automobilismus als hegemoniales System der Fortbewegung ist in die Krise geraten. So die These zahlreicher Publikationen aus der sozialwissenschaftlichen Mobilitätsforschung, die seit Jahrzehnten auf die Dringlichkeit einer umfassenden Mobilitätswende und das nahende Ende des Privat-Pkw verweisen (Canzler/Knie 2017; Rammler 2017; Kingsley/Urry 2009; Läpple 1997). Die Realität auf deutschen Straßen ist davon allerdings scheinbar unberührt; so werden Autos in Deutschland Jahr für Jahr größer, schwerer und vor allem werden es mehr. Für die Erklärung dieses stetigen Wachstums existieren zahlreiche Studien, die auf die Bedeutung der automobilzentrierten Verkehrspolitik der letzten Jahrzehnte, den massiven Einfluss der Automobilindustrie und die Macht der Gewohnheit bei der Verkehrsmittelwahl hinweisen. Für eine umfassende, tragfähige Analyse fehlt bisher allerdings eine Untersuchung der Gefühle, die Menschen mit dem (eigenen) Auto in Verbindung bringen.

In meiner Promotion möchte ich deshalb der Frage nachgehen, welche automobilen Emotionen im Zuge des Übergangs zur Elektroautomobilität sowie vor dem Hintergrund der sich zuspitzenden Klimakrise existieren und welche Rolle sie in der Transformation, bzw. Krise des Automobilismus spielen. Ausgangspunkt der Untersuchung ist die These, dass das in der Mobilitätsforschung prominent postulierte Ende der Liebe zum Automobil (Canzler et al. 2018) der Komplexität der Gefühle im, um und zum Auto sowie ihrem gegenwärtigen Wandel nicht gerecht wird. Denn vermeintlich „grüne“ Elektroautos bieten nun neue Möglichkeiten der emotionalen Projektion, der ökologischen Bewertung und der technologischen Faszination. Die Liebe zum Automobil ist noch lange nicht erloschen und der Automobilismus nicht am Ende.

Die Analyse der automobilen Emotionen soll aus zwei Perspektiven erfolgen: Erstens soll analysiert werden, wie Gefühle im asymmetrischen Machtgefüge des Automobilismus gezielt von bestimmten Akteur*innen mit spezifischen Interessen erzeugt wurden und werden. Dafür soll zunächst die Rolle von Gefühlen in der Entstehung des Automobilismus historisch in den Blick genommen und anschließend anhand von drei bis fünf Expert*inneninterviews beleuchtet werden, wie Automobilhersteller gezielt Gefühle im und ums Auto erzeugen und vermarkten, die Gefühle also selbst zur Ware, zur emodity, werden und dabei das Auto als Produkt und den Automobilismus als Dispositiv mitkonstituieren. Zweitens, und dies soll den Hauptteil der Arbeit darstellen, wird aus einer subjektzentrierten Perspektive anhand von zehn bis 15 Interviews untersucht, welche Emotionen von Autofahrenden selbst ins Zentrum ihrer Beziehung zum Auto gestellt werden. Als theoretische Grundlage dient Mimi Shellers Konzept der automotive emotions (Sheller 2004), welches in zweifacher Hinsicht erweitert werden soll: Einerseits durch eine Stärkung der praxeologischen Fundierung anhand des Habitusbegriffs und andererseits durch eine Integration von Illouz’ Theorien zur Rolle von Emotionen im Kapitalismus und dem Konzept der emodities.

Die empirische Analyse automobiler Emotionen eröffnet drei weiterführende Forschungsfragen: Da Emotionen als konstitutiver Bestandteil des Dispositivs Automobilismus verstanden werden, kann diskutiert werden, inwiefern sie diesen potenziell naturalisieren, transformieren oder destabilisieren. Auch soll analysiert werden, inwiefern sich in automobilen Emotionen bestehende gesellschaftliche Konflikte um eine sozial-ökologische Transformation spiegeln. Zuletzt soll erörtert werden, wie tief die fossil-kapitalistische Lebensweise, für die das Auto paradigmatisch steht, in Gefühlswelten verankert ist, und was dies für das Ge- oder Misslingen einer sozial-ökologischen Transformation bedeutet.