Carla Noever Castelos

Carla Noever Castelos hat Internationale Beziehungen, Politikwissenschaft und Germanistik in Münster, Aix-en-Provence und Berlin studiert. Während des Studiums war sie Teil der Nachwuchsforschungsgruppe „Global Change – Local Conflicts“. Sie forscht zu lokalen Ressourcen- und Bergbaukonflikten vor dem Hintergrund globaler Transformationsprozesse. Weitere Forschungsschwerpunkte sind Ansätze kritischer Transformationsforschung, (gramscianische und feministische) Politische Ökologie, soziale Bewegungen und Umweltgerechtigkeit. Ihr regionaler Forschungsschwerpunkt liegt in Südwesteuropa. Zwischen Studium und Promotion arbeitete Carla Noever Castelos mehrere Jahre als Bildungsreferentin zu Klimagerechtigkeit, Suffizienzpolitik und sozial-ökologische Transformation. Sie ist aktiv im ILA-Kollektiv, das solidarische Alternativen zur imperialen Lebensweise stärken will, sowie Teil des Arbeitsschwerpunkts „Gesellschaftliche Naturverhältnisse“ der BUKO und in Berlin feministisch organisiert. Als Stipendiatin des Graduiertenkollegs verfolgt sie ein Promotionsvorhaben mit dem Arbeitstitel „Ländliche Räume der europäischen Peripherie: Rohstofflager für Transformation von oben, Ausgangspunkte für Transformation von unten?“.

Abstract

Ländliche Räume der europäischen Peripherie: Rohstofflager für Transformation von oben, Ausgangspunkte für Transformation von unten?

Der europäische Green Deal präsentiert sich aktuell als hegemoniale Transformationsstrategie, mit der die europäische Wirtschaft nachhaltig umgestaltet werden soll. Gleichzeitig setzen ökologisch-modernisierende Transformationsprojekte dieser Art einen wachsenden Bedarf an Ressourcen für sogenannte Zukunftstechnologien voraus. Dieser Bedarf wird in der EU aktuell vornehmlich durch Ressourcenextraktion im Globalen Süden gestillt, er soll jedoch zunehmend durch Rohstoffe aus ländlichen Regionen der europäischen Peripherie gedeckt werden. Doch die hierzu anvisierten extraktiven Vorhaben rufen in vielen Fällen lokale Proteste in diesen neu entstehenden Green Sacrifice Zones hervor. Aus Perspektive kritischer Transformationsforschung stellt sich daher die Frage, wie sich diese Proteste in der europäischen Peripherie zu Transformationsprozessen verhalten: Inwiefern stehen Proteste gegen Rohstoffabbau für ‚grüne‘ Technologien Transformationsprozessen allgemein im Weg? Wird durch Not-in-my-Backyard-Proteste eine imperiale Lebensweise verteidigt? Oder entstehen in Opposition zu hegemonialen Transformationsstrategien emanzipatorische Alternativen zum wachstums- und technologieorientierten europäischen Green Deal?

Das Promotionsvorhaben zielt auf die Untersuchung möglicher Transformationsprozesse von unten. Ihm liegt die Annahme zugrunde, dass ländliche Protestakteure, hier speziell Anti-Bergbau-Proteste, per se weder reaktionär noch emanzipatorisch und transformativ sind. Stattdessen hängt es von diversen internen und externen Faktoren ab, inwiefern diese Proteste zu Ausgangspunkten für emanzipatorische Transformation werden. Das Forschungsvorhaben legt den Fokus auf Proteste gegen extraktive Projekte für Zukunftstechnologien in peripheren Räumen in Südeuropa: Anhand eines qualitativen Vergleichs zweier Fällen von Anwohner*innenprotesten gegen Lithiumbergbau auf der iberischen Halbinsel soll untersucht werden, inwiefern sich bei diesen Protesten Potenzial für Transformation von unten herausbildet und welche Faktoren es bedingen, dass Protestakteure transformative Perspektiven und Praxen entwickeln. Als Grundlage für die empirische Untersuchung wird ein theoretisch-analytischer Rahmen entwickelt, der auf zentrale Ideen aus Gramscis Philosophie der Praxis zurückgreift und Zugänge aus der gramscianischen Politischen Ökologie mit sorgezentrierten Arbeiten aus der feministischen Politischen Ökologie kombiniert. Ziel des Promotionsvorhabens ist es in erster Linie, empirische Erkenntnisse zur Rolle ländlicher Protestakteure für emanzipatorische Transformationsprozesse zu generieren, sowie in zweiter Linie einen theoretisch-analytischen Zugang zur Erforschung von Transformation von unten vorzuschlagen und mithilfe der Empirie zu prüfen und zu schärfen.