Julian Niederhauser schloss 2019 an der Uni Wien den Masterstudiengang Politikwissenschaft ab. Begleitend dazu hat er Geschichte studiert und war u.a. als Tutor in den Bereichen sozialwissenschaftliche Denkweisen und historisch-sozialwissenschaftliche Methoden tätig. Nach dem Studium mehrere kurzzeitige Arbeitsverhältnisse am Institut für Politikwissenschaft der Uni Wien. Seine Forschungsschwerpunkte sind: Mentalitäten der Ablehnung sozial-ökologischer Veränderung; rechte Politisierungen der Klimakrise; autoritäre Dynamiken in westlich-liberalen Demokratien; kritische Gesellschafts-, Diskurs- und Staatstheorien. Als Stipendiat des Graduiertenkollegs verfolgt er ein Promotionsvorhaben mit dem Arbeitstitel „Subjektive Motive und Artikulationen von Klimaskeptizismus im Kontext eines neuen Autoritarismus“.
Abstract
Subjektive Motive und Artikulationen von Klimaskeptizismus im Kontext eines neuen Autoritarismus
So alt wie das Wissen über die gesellschaftlichen Ursachen des Klimawandels sind auch die Bestrebungen, dieses Wissen zu torpedieren. Insbesondere in den USA ist es dem organisierten Klimaleugnertum gelungen, klimapolitisches Handeln über Jahrzehnte zu unterbinden. Im deutschsprachigen Raum war Klimaleugnung bisweilen ein Randphänomen. Spätestens seit dem Hoch der Klimagerechtigkeitsbewegung rund um Fridays for Future mobilisieren aber insbesondere rechtspopulistische Kräfte gegen das Schreckgespenst „Öko-Diktatur“. Neben der Leugnung des klimawissenschaftlichen Konsenses als Ausdruck von Transformationsunwilligkeit wird klimapolitische Ablehnung dabei – etwa unter Rückgriff auf maskulinistische oder rassistische Begründungen – explizit exkludierend artikuliert und die Verteidigung fossiler Lebensweisen und anderer Privilegien eingefordert.
Im Rahmen des Promotionsprojekts wird zum einen aus einer relationalen sozial-ökologischen Perspektive untersucht, was Menschen dazu bewegt, den Klimawandel zu leugnen und klimapolitische Maßnahmen abzulehnen, wie sich diese Haltungen ausdifferenzieren und durch welche Umstände derartige Mentalitäten bedingt werden. Zum anderen wird der Frage nachgegangen, wie Positionen der Ablehnung sozial-ökologischer Maßnahmen diskursiv artikuliert werden, also inwieweit klimaskeptische Argumente mit reaktionären bzw. anti-elitistischen Diskursen verwoben und in ein umfassendes autoritär-populistisches Narrativ eingebettet sind.
Das Forschungsvorhaben hat eine starke empirische Ausrichtung und wendet einen Mixed-Methods-Ansatz an. Insofern klimaskeptische Diskurse im deutschsprachigen Raum vorranging in digitalen Medien zirkulieren, setzen die Erhebungen hier an. In einem ersten Schritt soll eine Kartographie der wichtigsten klimaskeptischen Online-Diskursapparate angefertigt werden. Zweitens wird darauf aufbauend ein Korpus klimaskeptischer Texte zusammengestellt, der kritisch-diskursanalytisch auf inhaltliche Differenzen sowie interdiskursive Bezüge hin untersucht wird. Den empirischen Hauptteil bilden, drittens, 20-25 teil-narrative Interviews mit Klimaskeptiker*innen. Viertens wird als Interpretationshilfe und zur Validierung auf sekundäranalytische quantitative Erhebungen zurückgegriffen.
Bisherige Untersuchungen zeigen, dass Transformationsunwilligkeit bzw. Externalisierungskonservatismus milieuspezifisch stark variieren. Nachzuschärfen gilt es diese Erkenntnisse im Hinblick darauf, welche Beweggründe solchen ablehnenden Haltungen zugrunde liegen und wie diese im Kontext übergreifender gesellschaftlicher Konfliktkonstellationen und multipler Krisenprozesse zum Ausdruck gebracht werden. Das Forschungsvorhaben leistet folglich einen Beitrag zur genaueren Bestimmung von sozioökonomischen und –kulturellen Transformationshindernissen. Zudem erneuert es Befunde über das Feld organisierter Kräfte der fossilen Beharrung und beleuchtet autoritäre Dynamiken vor dem Hintergrund der sich zuspitzenden Klimakrise.